Nacktheit, Blumen und Harlekine

Die Vielfalt der Motive in der Ausstellung „Sommergäste II“ in der Galerie Kunst-Kontor

Potsdamer Neueste Nachrichten 5.07.2013

Nachtgespenster besuchen die schöne Schlafende. Eine Fledermaus, ein Käfer, ein Fisch mit großem Maul und spitzen Zähnen und eine Gottesanbeterin. Ein heller Lichtschein fällt auf die wohl gerundeten Brüste der Rothaarigen. Die Suche nach der Sphinx, nach dem Mysterium des Weiblichen, habe den Maler Hermann Lüddecke angetrieben, vermutet die Galeristin Friederike Sehmsdorf. Dass sich Lüddecke dieser Suche widme, habe nicht nur einen künstlerischen, sondern auch einen hirnphysiologischen Grund, vermutet die Galeristin. „Betrachten wir Schönheit und werden emotional ergriffen, aktiviert das Hirn die Freisetzung von Glückhormonen“, sagt Friederike Sehmsdorf.

Die schöne Frau findet sich immer wieder im Zentrum der Bilder von Lüddecke. Häufig zeigt er ein Szenario, in der sie unbekleidet und lasziv daliegt und mit sonderbaren Tieren oder nicht weniger merkwürdigen Männern konfrontiert ist. Das klassische Schönheitsideal und die demonstrative Feier der unverhüllten Weiblichkeit sprechen allen gegenwärtigen Kunstdiskursen um Frauenrollen und -darstellungen Hohn. Aber die Bilder sind einfach schön, gut konstruiert, mit handwerklicher Akkuratesse gemalt und heben das Sujet über die bloße Pose ins Reich der Kunst. Da darf der Diskurs gerne mal außen vor bleiben. Gleiches gilt auch für die übrigen Bilder der aktuellen Ausstellung „Sommergäste II“ in der zum „Forum für zeitlose Kunst“ ernannten Galerie. Passend zur Jahreszeit hat Friederike Sehmsdorf Bilder von Blumen und Landschaften und Terrakottas von Elefanten und Harlekins versammelt. Inmitten von Elvy Lütgens Wiesenstück blühen einige gelbe Butterblumen, über Uwe Rehers Strand spannt sich ein klarer blauer Himmel mit einigen federleichten Wolken.

Sie habe keinen festen Plan für die Ausstellung gehabt, sagt Friederike Sehmsdorf. Aber nicht zuletzt solle Herbert Gutmanns gedacht werden, des Bankiers, der das Anwesen 1913 gepachtet habe, in dessen Gartenhaus nun die Ausstellung stattfinden würde. Für den Bankier war das Haus die Sommerresidenz.

Viele kleine Schönheiten versammelt die luftige Sommerausstellung. Uwe Rehers prächtige Blumenbilder leuchten mit offensivem Rot, während ein nachdenklicher Harlekin von Robert Metzkes zu Boden schaut. Der Blumenmalerei werde generell nicht die Achtung entgegengebracht, die sie eigentlich verdient hätte, konstatiert die Galeristin. Dabei wäre der hohe Schwierigkeitsgrad, den gerade ein wenig spektakuläres Motiv wie ein Blumenstillleben fordere, offensichtlich. Schon Jan van Husum und Jan Brueghel der Ältere hätten hinreichend bewiesen, wie knifflig sich die Darstellung der Flora im Detail erweise. Auch moderne Maler wie Lovis Corinth und Emil Nolde wären immer wieder zu dem farbenprächtigen Motiv zurückgekehrt. Reher jedenfalls zeigt, dass ein absichtslos gemalter Blumenstrauß auch ohne sonderlichen ideologischen Unterbau recht beredt sein kann. In seiner Dauerhaftigkeit sei das Bild dann möglicherweise auch dem realen Strauß überlegen, denn dessen Schönheit vergehe, sagt Friederike Sehmsdorf. Die Leinwand bleibe. Nur wenn es gelinge, dem Abbild Leben einzuhauchen, habe die Malerei eine Relevanz, die über das Handwerk und bloße Nachahmung hinausgehe. Dem lockeren Ensemble der Sommerausstellung gelingt dies jedenfalls. „Wohl wissend, dass wir nicht im Paradies leben, vermag die Kunst doch manchmal eine Ahnung vom Paradiesischen zu vermitteln. Ist das nicht tröstlich“, fragt die Galeristin im Ausstellungstext.

 

Erschienen am 05.07.2013 auf Seite 22

Von Richard Rabensaat