Vom Himmel zum zerfurchten Acker In der
Galerie Kunst-Kontor zeigen Künstler ihre „Kabinettstücke“

Potsdamer Neueste Nachrichten 20.12.2012

Passend zur Jahreszeit geben sich in der Galerie Kunst-Kontor Engel ein Stelldichein. Im Trainingsanzug, alleine, vor dunkler, zerfurchter Fläche hockt einer. Zwei Schwingen ragen auf seinem Rücken ins Bild. Wegfliegen kann er nicht, zu klein sind die Flügel. Uta Zaumseil hat die Person, die ihr als Himmelswesen erscheint, in einem intimen Moment beobachtet. Der ockerfarbene Grundton des Bildes vermittelt eine vielleicht melancholische, aber warme Stimmung. Alltagsszenen einzufangen, Menschen in einer unspektakulären und dennoch von Würde und Anmut getragenen Stimmung zu zeigen, ist die Qualität der Arbeiten von Uta Zaumseil. Mit der altehrwürdigen Technik des Holzschnitts schafft sie aus Fotogrundlagen originäre Szenerien. Das wirkt ganz gegenwärtig, wach und genau beobachtet.

Die aktuelle Ausstellung „Kabinettstücke“ in der Galerie Kunst-Kontor von Friederike Sehmsdorf versammelt zum Jahresende Künstler, die so einen kleinen, repräsentativen Einblick in ihr Schaffen geben. Die Positionen spannen sich von den realistischen Bildern Zaumseils bis zu den kleinteiligen Abstraktionen Adgur Dsidsarias. Der abchasische Künstler aus Suchum, der Hauptstadt Abchasiens, fiel der Galeristin auf, als sie eine Ausstellung mit Künstlern aus der Region am Schwarzen Meer in Berlin organisierte. Recht kleinformatig sind die Bilder Dsidsarias, aber der Reiz steckt im Detail. Kleinteilige, ornamentale Strukturen schichten sich intelligent gestaffelt übereinander. Verhaltene, sensibel differenzierte Farbigkeit verwebt Hintergründe, perspektivische Konstruktionen und angedeutete Narrationen, die sich im Vordergrund abspielen. Minimalistische Szenerien lassen vermuten, dass in dem reichlich dünn besiedelten Land noch Geschichten erzählt werden, die abseits von Globalisierungswahn und krisengeschütteltem Kapitalismus spielen. Adgur Dsidarias beeindruckt mit feinem, intelligent austariertem Strich, bei minimalistischen Preisen.

Mit großem Gestus auch im kleinen Format kommt dagegen Johannes Heisig daher. Ganz Malerfürst hat sich der Leipziger Künstler dreifach selbst portraitiert. Mit souveränem Pinselschwung blickt Heisig mal zerknirscht, mal mit schelmischem Blick aus dem Bild. Anders dagegen die Portraits von Christoph Löffler. Auf den ersten Blick scheinen nette Stofftiere zu posieren. Bei näherer Betrachtung zeigt sich untergründiger Schrecken, der hinter den lächelnden Plüschtieren lauert. „Das ist die Versöhnung der Pop Art mit der Renaissance“, sagt Friederike Sehmsdorf und trifft damit genau die Charakteristik der Bilder. Schicht auf Schicht baut Löffler seine Ölgemälde. Durch das sorgfältige Arrangement bis in den Hintergrund hinein erlangen diese eine Tiefe, die dem dargestellten, an sich banalen Objekt widerspricht. Untergründiger Schrecken spuckt zwischen giftgrünem Hasengesicht und quietschgelbem Teddybär, dessen Augen bedrohlich rot leuchten. Chucky, die Mörderpuppe aus der gleichnamigen Filmserie, lässt grüßen. Nur ein hilflos lächelndes Äffchen fällt mit unschuldiger Mine aus der finsteren Rolle.

In himmlische Sphären schwingt sich dagegen Clemens Gröszer auf. Zunächst lässt er in einer kleinformatigen Radierung einen Engel vorbeirauschen, um sodann den abgeschlagenen Flügel des möglicherweise lädierten Himmelswesens zu präsentieren. Die Radierungen Gröszers korrespondieren hübsch mit denen von Herbert Franz, der mit sperriger Kaltnadel gerupfte Landschaftsfragmente fixiert. Und zu all dem tanzen die „Mädchen mit Mini“ von Susanne Kraißler in Bronze gegossen „am Abgrund“, oder wenigstens an der Kante des Podestes, auf dem sie stehen

Erschienen am 20.12.2012

Von Richard Rabensaat


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