DIE MAUER
BILDER VON JENS LORENZEN
BILD: DIE MAUER II - BUENA VISTA

Bunte Welt in Mauerform

Potsdamer Neueste Nachrichten 28.05.2011

Der Maler Jens Lorenzen schafft ein eigenes Universum aus Medienbildern / Zu sehen im Kunstkontor

Der Löwe brüllt. Bei Metro Goldwyn Meyer reißt er sein Maul auf und für das Löwenbräu Bier. Tarzan mit gezücktem Messer daneben. Eine schwarze Schönheit reicht dem Dschungelheld eine Schale mit Früchten. Joseph Ratzinger grüßt mit leicht verklärtem Lächeln: Wir sind Papst. Ein völlig weggetretener Jesus wird gesalbt – mit Penatencreme. Irgendwie hängt alles mit allem zusammen in der Bilderwelt von Jens Lorenzen. „Die Mauer“ ist der Titel seiner aktuellen Werkreihe. Ein kunterbunter Kosmos entspannt sich entgegen den ersten Assoziationen des Titels vor den Augen der Betrachter im „Kunstkontor“. Lorenzen baut seine eigene Mauer, eine aus Bildern.

Eigentlich ist es auch keine Mauer, sondern ein Reigen, der um Zeitgeschehen, Gegenwart, Vergangenheit, Medien, Nachrichten, Werbung und was noch alles kreist. Aus
Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen und anderem Druckwerk entnimmt der Maler seine Vorlagen. Er baut daraus einen Spiegel des Informationsstroms, der die Welt durchfließt. Dabei kennt Lorenzen keine Hierarchien, weder bei der Bildordnung, noch bei den Inhalten. Ein Pfefferminzmädchen, Che Guevara, J?esus und Marlene Dietrich, alle Stars begegnen sich auf gleicher Augenhöhe auf den Bildern.

Geboren in Schleswig-Holstein, ausgebildet bei Professor Hermann Albert an der HBK Braunschweig lebt und arbeitet der 1961 geborene Lorenz in Berlin. Auf seinen frühen Bildern fanden sich reduziert gemalte, rätselhafte Zeichen und Symbole. Dann entdeckte er sein gegenwärtiges Thema. Das könnte sich nun schier endlos erweitern, denn die Realität bietet immer neuen Stoff für die wachsende Mauer.

„Ich arbeitete an einem Bild, in dem ich verschiedene Vorlagen kombinierte. Dann merkte ich, wie der Platz nicht ausreichte und übernahm Randelemente des Bildes in ein neues Bild, das ich auch wieder aus Fotos zusammensetzte“, beschreibt der Maler sein Schlüsselerlebnis bei der Bildfindung für die Reihe. Die Kanten der Bilder der Reihe schließen aneinander an. So entsteht die Mauer:

Diese erinnert an die Pariser Affichisten der 60er Jahre. Fasziniert von der bunten Plakatwelt und den reizvollen Bildkombinationen, die sich ergeben können, wenn Plakatwände zerfleddern, machten die Franzosen aus dem Zufall eine Methode. Sie rissen Papier von den Werbemauern und schufen daraus neue Bilder die heute nicht zuletzt vom Zeitkolorit zeugen. Einen Schritt weiter ging bereits James Rosenquist. Der Pop-Art-Künstler und Plakatmaler kombinierte Werbemotive in Ölbildern zu einer surreal wirkenden Pop-Welt. Auch Lorenz übernimmt die Papiervorlage nicht, sondern verwendet sie als Vorlage für ein Gemälde, das er in überzeugendem Realismus auf die Leinwand bringt.

Von der Pop-Art ist Lorenz allerdings ein gutes Stück entfernt. Der Reiz seiner Mauer liegt in immer wieder an anderer Stelle fortgesetzten Geschichten und Motiven. Während die
Zigarettenmarke Lucky Strike den Glückstreffer schon im Namen trägt, muss Rocky Balbaoa ihn sich in immer neuen Boxerfilmen hart erkämpfen. Beide zusammen finden sich auf einem Bild von Lorenz. Etwas weiter auf der Mauerwand bleckt dann ein blutiges Skelett. So zufällig die gewählten Motive auf den ersten Blick wirken, lassen sie doch eine geschickte Bildgliederung erkennen. Der pastose, dabei aber gleichzeitig verblüffend genaue Farbauftrag zeigt den technisch versierten Maler und evoziert treffend die ästhetische Nähe zur Plakatwand.

Erfreulicherweise verzichtet Lorenz dabei auf jede Überhöhung oder Kommentierung der dargestellten Inhalte. Letztlich interessiert den Künstler die Malerei und nicht die Bedeutung. Das macht die Mauer zu einer recht erfreulichen Variante von Dokumentarmalerei, die sicher länger Bestand hat als die dargestellten Werbebilder.

von Richard Rabensaat

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