STILLE WELT - FOTOGRAFIEN
VON MONIKA SCHULZ-FIEGUTH
BILD: 2009

Geheimnis Kloster

„Licht einer stillen Welt“ zeigt Bilder der Potsdamer Fotografin Monika Schulz-Fieguth aus dem Stift Heiligenkreuz in Buch und Ausstellung

Potsdamer Neueste Nachrichten 27.10.2010

Anfang Februar geht es von Wien in den Wienerwald, ins Stift Heiligenkreuz. Seine Architektur und seine Geschichte haben das Interesse geweckt. Mit Reinhold Schneiders „Winter in Wien“, den oft unergründlichen Erkundungen und Betrachtungen über die alte Kaiserstadt, machen wir uns auf den Weg. Schneider, der in den dreißiger Jahren in Potsdam lebte, besuchte das ehrwürdige Zisterzienserkloster. In ihm fanden Mitglieder des Babenberger Herrschergeschlechts, die Vorgängerfamilie der Habsburger, ihre letzte Ruhestätte. „Das schmale hohe Langhaus des Domes“, schreibt Schneider, „die gedrängten Seitenschiffe empfingen ursprünglich nur geringes, sorgfältig verteiltes Licht; ihr Zusammenstoß mit dem weiten gotischen Chorraum, den die bunte Flut der Strahlen erfüllt, ist von unerhörter Gewalt.“ – Licht einer stillen Welt.

„Sobald ein Gast gemeldet ist, sollen ihm der Obere und die Brüder in aller dienstbereiten Liebe entgegengehen“, heißt es in den Regeln des heiligen Benedikt von Nursia (480-547), die auch heute für die Ordensleute eine Ausrichtung für das Zusammenleben sind. Benedikt war der Gründer des europäischen Mönchtums.

Zur Mittagsstunde, kurz vor Zwölf, sprach uns ein Mönch auf dem Hof an. Er lud uns mit großer Herzlichkeit ein, das Kloster zu besichtigen und am mittäglichen Chorgebet teilzunehmen. Im Gespräch stellte sich heraus, dass uns der Abt persönlich über den Weg lief: Gregor Henckel Donnersmarck, der Onkel des Filmregisseurs und Oscar-Preisträgers Florian Henckel von Donnersmarck. Der Neffe schrieb im Kloster das Drehbuch zu seinem Film „Das Leben der Anderen“.

Auf den hinteren Plätzen der Kapelle nahmen wir Platz und hörten fasziniert den alten einstimmigen gregorianischen Chorälen der Mönche zu. Rein und innig klangen sie. Kein Wunder, dass „Universal Music“ in London sie unter Plattenvertrag nahm. Die CD stand monatelang in den Charts ganz oben. Unter den 17 jungen Mönchen, die für den Chor ausgewählt wurden, war auch der Potsdamer Künstler Wilfried Statt. Bevor wir Heiligenkreuz besuchten, wussten wir noch nicht, dass er sich in dieser Abtei als Novize auf die Profess, die Mönchsweihe, vorbereitete. Die Suche nach Gott veranlasste auch ihn ins Kloster zu gehen. Damals nannte er sich Frater Raphael, nach der ewigen Profess Pater Raphael. Das unverhoffte Wiedersehen war eine Überraschung, jedoch konnte die Begegnung nur kurz sein. Er freute sich, Menschen aus der Heimat begrüßen zu können. Die strengen Klosterregeln veranlassten ihn aber, das Gespräch bald zu beenden. Zurück in Potsdam erzählten wir der Fotografin Monika Schulz-Fieguth, die seit vielen Jahren mit Wilfried Statt befreundet ist, von der eindrucksvollen Begegnung im Stift Heiligenkreuz.

Im Brandenburgischen ist der Bildhauer Statt kein Unbekannter. Er schuf große Kunstprojekte für den öffentlichen Raum, unter anderen das Otto Lilienthal-Denkmal in Derwitz-Krielow (1991), Brunnen und Bänke für den Marktplatz in Teltow im Jahre 1999 und lehrte an der Kunstschule Potsdam. Er konzipierte 2002 die Kapelle St. Ewaldi in Duisburg/Laar. Als Zisterziensermönch kann er auf ausdrücklichen Wunsch des Abtes und seiner Mitbrüder sich weiterhin der Kunst widmen – als Gebet und Lobpreis. Er erhielt ein wunderbares Atelier. Und so findet man seit mehr als 250 Jahren nach dem Italiener Giovanni Giuliani wieder einen Künstler im Kloster, diesmal einen Künstler-Mönch.

Monika Schulz-Fieguth, die als renommierte Fotografin weit über Potsdam hinaus einen Namen hat, sagte eines Tages: Ich mach ein Buch über Heiligenkreuz. Pater Raphael sprach ihr Mut zu. Die Künstlerin gewann Karl Josef Wallner für ihr Vorhaben. Der Pater ist Rektor der Hochschule in Heiligenkreuz. Sie trägt den Namen des gegenwärtigen Papstes Benedikt XVI. Zugleich ist er auch für die Öffentlichkeitsarbeit in der Abtei zuständig und verfasste über das mehr als 850 Jahre alte Kloster, über das Leben und die Spiritualität der Mönche so manches Buch. Auch ein Verlag für die neue Publikation wurde ausfindig gemacht: das Gütersloher Verlagshaus. Nun ist es zur Frankfurter Buchmesse unter dem Titel „Licht einer stillen Welt“ erschienen. Ein beeindruckender Text-Bild-Band, in dem Pater Karl Wallner den Leser in das mönchische Leben einführt.

Beim Durchblättern des Buches, beim Lesen und vor allem beim Anschauen kam mir das Wort eines bayrischen Ordensmannes in den Sinn: „Die Klostermauern sind ein Sinnbild für die Konzentration auf eine Sache“. Vielleicht liegt auch hierin die Faszination, die klösterliches Leben heute ausübt. Und vielleicht erklärt sich durch sie auch ein Stück Sehnsucht nach einem anderen Leben, warum viele so empfindlich reagieren, wenn sich herausstellt, dass auch Mönche Menschen sind wie wir alle und dass auch ihnen Konflikte und Scheitern nicht erspart bleiben.

Monika Schulz-Fieguth konnte die Zisterzienser aus der Nähe beobachten. Das war nur möglich, so die Fotografin, weil sie die wunderbare Tugend der Mönche, nämlich ihre Gastfreundschaft, genießen konnte. Mehrmals reiste sie von Potsdam in das Kloster im Wienerwald. Und so dürfen wir mit den Bildern der Potsdamerin in die genuine Aura von Heiligenkreuz schauen.

Es scheint, dass ihre Fotokunst mit immer größerer Ruhe und überlegener Gelassenheit entsteht. Sie hat eine fast sinnbildhafte Prägnanz und zeitlose Allgemeingültigkeit gewonnen. Wichtigtuerische Gesten sind ihr fremd. Auch die faszinierende Atmosphäre, die die gotische und barocke Architektur ausstrahlt oder die seit Jahrhunderten sich wiederholenden Rituale der Mönche, die für sie etwas Lebensspendendes sind, weiß Monika Schulz-Fieguth in feinsinniger Beobachtung festzuhalten, um sie anschließend digital zu verdichten. Das Licht, das durch Fenster und Türen in das Innere des Klosters fällt, hat auf den Fotos etwas Verhaltenes, ist nicht berechenbar wie unter dem grellen Licht von Scheinwerfern. Bei der Potsdamerin hat es auch etwas Geheimnisvolles, ist voller Ahnung. Unausgesprochenes kommt auf den Betrachter zu, Licht aus einer anderen Welt.

Monika Schulz-Fieguth schaute Ordensmännern bei ihren versunkenen Gebeten zu, nahm an der emotionalen Feier der Heiligen Profess teil, an der berührenden Fußwaschung in der Karwoche oder sie erlebte die Osternacht, in der der Aufbruch zu neuem Leben gefeiert wird. Die Porträts von Mönchen, die die Künstlerin mit respektvoller Distanz fotografierte, gehören zu den beeindruckendsten Bildern des Buches. Die Ordensmänner zeigen sich teilweise scheu und zurückhaltend, dann auch überraschend offen, doch immer voller Ernst. Vom „lauten Wesen der Welt“, wie es der Mystiker Meister Eckhardt genannt hat, ist auf den Fotos nichts zu spüren. Überall ist Stille. Man kann sie sehen und hören. Doch auf einem Bild wird deutlich, dass die heutige Zeit auch in die alten Klostermauern Einlass erhielt: Ohne Handy scheint auch in Heiligenkreuz manches nicht zu gehen.

Monika Schulz-Fieguth zeigt ihre großformatigen Fotografien vom Stift Heiligenkreuz ab Sonntag, dem 31. Oktober, in der Potsdamer Galerie Kunst-Kontor von Friederike Sehmsdorf. Auch diese Ausstellung nennt sie „Licht einer stillen Welt“. Für den Samstag, 6. November, ist in der Galerie eine Buchlesung mit Pater Karl Josef Wallner geplant.

Pater Karl Wallner / Monika Schulz-Fieguth: Licht einer stillen Welt, Gütersloher Verlagshaus, 29,99 Euro.

Erschienen am 27.10.2010 auf Seite 22

Von Klaus Büstrin


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