ANTLITZ - GEMÄLDE, GRAFIK
SKULPTUREN VON
CLEMENS GRÖSZER
BILD: PORTRAIT HEIDI VOGEL

Augen-Bilder

„Die „Antlitze“ von Clemens Gröszer in der Galerie KunstKontor

Potsdamer Neueste Nachrichten 22.07.2010

Im Gästebuch von Friederike Sehmsdorfs Galerie KunstKontor steht zur neuesten Ausstellung „Antlitz“ der unerklärliche Satz „Lieber Künstler, wie halten Sie es mit den Frauen?“ Gemeint ist Clemens Gröszer, ein Ost-Berliner des Jahrgangs 1951, bekennender Verist und 1981 Mitgründer der Künstler-Gruppe „Neon Real“ , Meisterschüler von Wieland Förster, heutiger Wohnort Berlin. Galerie-Freunde werden sich erinnern: Im vorigen Jahr hat er unter dem Titel „Neon-Remember“ gemeinsam mit Harald Schulze und dem Bildhauer Rolf Biel bei Jürgen Oswald Am Neuen Palais ausgestellt. Was aber in der Bertinistraße, von ihm mitgeteilt und ausgestellt wird, ist anders.

Hier geht es um „Antlitze“, was die mehr oder weniger bedeckten Frauen genauso meint wie Landschaften, aus denen bei Gröszer niemals Sonnen scheinen. Landschaften sind ja meist weiblich. Sein „Danse macabre“ aus dem Jahr 1990 (in der aktuellen Ausstellung im KunstKontor nicht dabei) zeigte, worum es ihm geht. Im Dämmerlicht einer großstädtischen Dachkammer tanzt er hochkonzentriert mit einem maskierten Monster. Dies türkisfarbene Ding könnte bald Roboter sein, Puppe, oder ein Weib. Eine Szene aus seinem eigenen Oberstübchen, mehr Kampf als nur Spiel, und tatsächlich hat er auch die nächsten Jahre nur Augen für Frauen, Augen voller Frauen, sogar die Augen von Frauen, die er da malt in den Antlitzen, in seinem eigenen.

Diese Augen – nie sind ihrer zweie gleich in einem Antlitz – sind das Beste, das Wichtigste an diesen Bildern, diese oft katzenartigen Augen, nicht die verblühten, manchmal zu Straps und Mieder gedrängten Körper. Obwohl noch immer zwischen Himmelsmauer und Babelturme rücklings sitzend, hat sich Gröszers extrem hoch toupierte „Nocturne“ längst in „Melancholie/Marin á Cholie“ verwandelt, und seine Engel-Plastiken wollen noch immer schön aussehen, trotz gebrochener Flügel, und weggerissener Beine. Jedes dieser Bilder ist eine Herausforderung, wahrscheinlich mehr für die Männer: Dieser Verismus verdeckt, indem er alles ganz offen zeigt, was nur gesucht werden kann.

Von Mieder, Handschuh bis zu den Hochhackigen bedient der Künstler akribisch genau die Augengelüste der Männer, und doch ist es nur der Trick eines „falschen Pornographen“, denn seine Modelle Elke, Monique, Theresa und die anderen stellen in ihren Haltungen eher den Voyeur-Betrachter bloß, ob sie seinem Blick nun standhalten, oder nicht.

Der Maler seinerseits schaut seine Katzenaugenmenschen mal liebevoll an, mal mit Distanz, mit Neugier oder Verwunderung, nie aber verachtet er sie. Clemens Gröszer malt, radiert, lithographiert auf höchstem Niveau, er bringt seine Sujets durch eine spezielle Lasur sogar auf Hochglanz, eine zusätzliche Provokation. Und ist selbst eigentlich immer dabei: Wenn er dem „Paradiesvogel“ Frank Schäfer dieselben Augen gibt wie den Frauen, nur etwas männlicher, wenn sein „Selbst mit Kappe“ auch diesen Katzenblick hat und fast die Bildrahmung sprengt. Die mit den Erdbeeren ist eine Berufskollegin von ihm, Leonie, maskiert und mit Müll und dem ausgestopften Reh, als Zeichen verlorener Unschuld, in Verbindung gebracht. So erzählt seine Ausstellung die wundersamsten, zartesten, bizarrsten Geschichten seines inneren Ichs. Was sieht man, in den Spiegel geschaut? Und was, in den Spiegel von Gröszer geschaut? Der makabre Tanz geht also weiter.

Von Gerold Paul

Erschienen am 22.07.2010 auf Seite 30
Bild oben entnommen pnn 22.7.2010: "Paradiesvogel, Frank Schäfer", gemalt von Clemens Grözser. Foto: Andreas Klaer


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