70. GEBURTSTAG: GUDRUN BRÜNE
TRAUM UND WIRKLICHKEIT
BILD: PUPPE

Traum und Wirklichkeit - Gudrun Brüne im Bank-Haus

Märkische Allgemeine 09. Mai 2011
Das Privat-Banking-Haus der Sparkasse in der Berliner Straße 52 mit Blick über die Havel auf den Flatowturm gehört zu den Prunkstücken ehemals hochherrschaftlicher Wohnkultur in Potsdam. Gediegenheit vom Garten bis unters Dach und überall ein Duft von frischem Geld waren die gefühlten klimatischen Konditionen der Ausstellung „Traum und Wirklichkeit“ von Gudrun Brüne anlässlich ihres 70. Geburtstages.

Noblesse versprach auch die Einladungskarte mit dem Ministerpräsidenten als Schirmherrn und der Kulturministerin als Rednerin. Aber es kam – wie so oft im Leben – ganz anders, und so mussten sich die honorigen Gäste am Freitagabend mit den Reden eines Sparkassenvorstandes, eines Staatssekretärs und der Kuratorin begnügen. Die Künstlerin trug es mit Fassung, aber ihre Augen zeigten die gleiche Skepsis wie auf ihrem Porträt, neben dem sie stand. „Selbst mit Masken und Pinsel“ heißt es und weckte die Erinnerung an Arnold Böcklins „Selbstbildnis mit Tod“. Nur ist ein im Hintergrund fiedelnder Schädelmann bei ihr durch ein venezianisches Maskenquartett ersetzt.

Überhaupt scheinen viele der Arbeiten Brünes – obgleich es in ihnen vor Zitaten der klassischen Moderne nur so wimmelt – eher in Gudrun Brüne in ihrer Ausstellung die Malkultur der Nazarener oder Symbolisten des 19. Jahrhunderts zu passen. Auch bei ihr ist die Figur das vorherrschende Kompositionselement, hat die klare, konturierte Form den Vorrang vor der Farbe, und das Zeichnerische dominiert das Malerische. Unübersehbar ist Brünes Affinität zur Mythologie, und so wundert es nicht, wenn ihre „Judith“ mit alttestamentarisch bezeugter Schönheit eine Klinge über dem blondgelockten Haupt führt, um Holofernes mit dessen eigenem Mordwerkzeug zu entsorgen. Den Feldherrn aber sieht man nicht. Nur der Zeigefinger der linken Hand weist zum imaginären Bösewicht und ein gülden Engelein fliegt der Rache voraus.

Solcherart Überfrachtung mit theatralisch inszenierter Bedeutsamkeit ist bis heute ein Merkmal der sogenannten Leipziger Schule, die ihre Wurzeln bekanntlich in der DDR hatte. Damals dienten mythologisierte Bildaussagen auch dazu, Apparatschiks in philosophisches Nebelland zu locken, wo sie sich dann in aller Regel verliefen.

Die Puppenporträts, die einst das Markenzeichen ihrer Kunst waren und Brünes Ruf als unangepasste Malerin in der Zeit des ideologischen Realismus begründeten, kombiniert sie heute mit einem ungebremsten Bildzitate-Reigen. Picassos Oeuvre ist dabei ein unerschöpflicher Steinbruch, und so dominiert die Ausstellung das Triptychon „Und immer wieder Guernica“, bei dem die Künstlerin einen ihrer Puppenleichenberge in Picassos Antikriegs-Vorlage gemalt hat.

Beeindruckender, weil befreit vom Ballast solch gewollter Monumentalität, wirkt da die Natürlichkeit der Arbeiten, mit der sie den Landschaften des Havellands ein Denkmal setzt.

Von Lothar Krone

Bild: entnommen http://www.maerkischeallgemeine.de, Gudrun Brüne in ihrer Ausstellung, Foto: Köster


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